Franz Kortejohann – eine kunsthistorische Positionierung

Die kunsthistorische Einordnung Franz Kortejohanns in die deutsche Kunstgeschichte der Jahrhundertwende erfolgt bei genauer Kenntnis von 77 Gemälden sowie zusätzlichen etwa 20 Werken nach Abbildungen. Nach derzeitigem Stand (April 2017) entspricht dies knapp der Hälfte des jetzt bekannten Werkes.

Bei der hohen Zahl der nicht bildlich greifbaren Werke wiegt besonders schwer, dass gerade die Gemälde, die Kortejohann bei seinen zahlreichen Ausstellungsbeteiligungen gezeigt hat, entweder nicht identifiziert oder noch nicht wiederentdeckt sind, also etwaige Presserezensionen nicht mit bestimmten Bildern zu verknüpfen sind.

Dennoch dürften die bekannten Gemälde einen ausreichend großen Durchschnitt darstellen, um den Versuch zu unternehmen, grundlegende Eigenheiten von Kortejohanns Malerei und deren Positionierung in der Kunst aufzuzeigen.

Ganz grundsätzlich gehört Franz Kortejohann dem deutschen Impressionismus an, wie er etwa im Umfeld der Münchner Künstlergruppe „Die Scholle“ gepflegt wurde. Doch hatte dieser etwas zurückgenommene Impressionismus sich auch in anderen Kunstzentren des deutschen Reiches wie etwa in Berlin und Dresden Bahn gebrochen.

Kortejohann war vor allem ein Landschaftsmaler, gelegentlich entstanden auch Interieurs und Portraits. Den größten Block innerhalb seines Werkes macht die Heidemalerei aus. Ebenfalls in großer Zahl malte Kortejohann Waldbilder. Kortejohann unternahm zahlreiche Reisen und stets brachte er Motive von diesen in seine Kunst ein. So finden sich Bilder aus Italien, Süddeutschland und den Alpen, den Mittelgebirgen und Norddeutschland, vor allem der Heidelandschaften des Hümmling und der Lüneburger Heide und auch aus dem Ostseeraum in seinem Oeuvre. Daneben malte Kortejohann auch viel in und um seinem Geburtsort Strang am Teutoburger Wald.

Die ersten wesentlichen Impulse für die Entwicklung seines Malstiles dürfte Kortejohann 1889-92 während seiner Ausbildung zum Zeichenlehrer an der Kunstgewerbeschule in Berlin erhalten haben. Diese Lehranstalt ermöglichte eine umfassende praktische und theoretische Ausbildung.

Darüber hinaus ist anzunehmen, dass sich Kortejohann neben der eigentlichen Ausbildung auch bewusst mit der Berliner Kunst und ihrer damaligen Entwicklung auseinandergesetzt haben dürfte. Just zu dieser Zeit wachsen die öffentlich ausgetragenen Spannungen zwischen den akademischen Malern um Anton von Werner und den impressionistisch orientierten um Max Liebermann. Es ist recht eindeutig, für wessen Seite Kortejohanns Herz schlug.

In dem Gemälde „Morgensonne im Buchenwald“ (Wa 100) zum Beispiel kann man durchaus davon sprechen, dass Kortejohann die Lichtflecken Liebermanns übernommen hat. Doch muss dieser Einfluss gar nicht so direkt erfolgt sein. Liebermanns Malerei hatte längst auch andere Künstler zu neuen Wegen inspiriert. Einer davon war ein weiterer Berliner Akademieprofessor, Eugen Bracht. Er galt als der modernste Lehrer an der Berliner Kunstakademie um 1890. Zwar wagte er aus Rücksicht auf sein Amt nicht direkt für den Impressionismus einzutreten, doch motivierte er etwa seinen Schüler Max Uth, sich an der Gründung der Berliner Secession zu beteiligen. Bracht selbst war für seine Dünen- und Heidebilder bekannt geworden; tatsächlich gilt er als einer der Entdecker dieser kargen Landschaften für die Kunst. Bracht malte durchaus schon früh impressionistische Werke stellte diese aber nicht aus. Dennoch gibt es auch unter den akademisch geprägten Werken, neben dem Motiv Heide, eine weitere typische Bildidee Brachts, die bei Kortejohann ebenfalls in Erscheinung tritt. So entwickeln die Bilder Brachts oft einen Zug in die Tiefe, der durch Wegführungen ins Bild oder durch Abhänge erzeugt wird.

Die Bilder Brachts waren auch als Öldrucke weit verbreitet und es gab die Bilder der sogenannten „Bracht Schule“. Dies sind Ölgemälde, die Bracht parallel mit Schülern ausgeführt hat und die alle nicht signiert wurden. So wäre es ein leichtes für Kortejohann gewesen, die Werke Brachts zu studieren. Wie groß der Einfluss dieses Berliner Malers war, zeigt ein Vergleich zwischen Kortejohann und direkten Bracht-Schülern.

Wilhelm Feldmann wurde nach seinem Studium bei Bracht zu einem der bekanntesten Heidemaler am Beginn des 20. Jahrhunderts und war Gründungsmitglied des Künstlerbundes „Die Heidjer“, in dem auch der Osnabrücker Zeitgenosse Franz Hecker war. Besonders die Heidelandschaften Feldmanns, aber auch einige Bilder von der Ostseeküste, sind den Bildern Kortejohanns eng verwandt. Doch am deutlichsten wird dieser gemeinsame Geist interessanterweise bei Bildern beider Künstler, für die Bracht nicht das Vorbild ist. Es gibt von Feldmann und Kortejohann grün dominierte Mittelgebirgslandschaften mit einem deutlichen Sog in die Tiefe, die sich sehr ähnlich sind.

Auch Oskar Frenzel hatte bei Bracht studiert und wurde durch Heidelandschaften, vor allem aber Tierdarstellungen, bekannt. Letztere sind aber eher akademisch geprägt und so wird die ähnliche Grundeinstellung zur Landschaftsmalerei vor allem in den unbevölkerten Landschaften deutlich.

Die zehn Jahre nach der ersten Ausbildung in Berlin, die Kortejohann im Schuldienst in Osnabrück war, heißen nicht, dass er sich nicht weitergebildet haben kann. Laut biographischen Angaben ist er viel gereist und wie viele Ausstellungen er besucht und was er alles gelesen haben kann, ist reine Spekulation. Fest steht, 1899 konnte er 70 Werke im Osnabrücker Museum zeigen, die bereits wesentliche Teile seines Schaffens repräsentieren.

Es ist kaum anzunehmen, dass Kortejohann ohne Vorkenntnisse über die Kunstwelt in München 1901 dorthin ging, um bei Otto Seitz Maltechnik und bei Moritz Weinholdt Fähigkeiten im Zeichnen, vermutlich in privaten Kursen, zu vertiefen. Stilistisch kann Kortejohann von beiden nichts erhofft haben, standen sie doch für eine grundsolide, aber eben auch eher akademische Ausbildung. Doch wieder sollte man annehmen, dass Kortejohann seine Zeit in München nutzte, um sich in der Kunst umzuschauen und vielleicht sogar Kontakte zu knüpfen. Es dürfte auch geholfen haben, dass der Osnabrücker Freund und Malerkollege Curt Witte zu dieser Zeit in München studierte.

Curt Witte dürfte ein weiterer wichtiger Impuls für Kortejohanns Kunst gewesen sein. Zwar war der deutlich jüngere Witte nie sein Lehrer im eigentlichen Sinne, doch hatten ihn seine Studien neben München nach Karlsruhe, Paris und Rom geführt und so kann er einfach durch seine Erfahrungen, Interessen und Berichte Kortejohanns Kunst für neue Einflüsse geöffnet haben. Dabei ist deutlich zu sagen, dass es zwischen Kortejohann und Witte künstlerisch kaum Parallelen gibt.

Dagegen gibt es diese Parallelen eher zufällig zu Kortejohanns großem Osnabrücker Gegenüber Franz Hecker, mit dem er als impressionistisch geprägter Landschaftsmaler zwangsläufig verglichen wird. Dies geschah schon in der zeitgenössischen Kritik, wobei übersehen wurde und wird, dass die beiden aus unterschiedlichen Richtungen kommend, gelegentlich zu ähnlichen Themen und Malweisen gelangen. War Kortejohann wesentlich durch den Münchner und Berliner Impressionismus geprägt, so war Hecker von Düsseldorf und Worpswede und zuletzt Paris beeinflusst. Dennoch bleibt Hecker stärker an Worpswede gebunden, als es Kortejohann je war. Einige Herbstlandschaften beider Maler zeigen aber, dass durchaus Ähnlichkeiten bei allen Unterschieden bestehen können.

Was Kortjohann bei wem 1903 in Kassel gelernt hat, ist bislang nicht zu ergründen, doch, ähnlich wie bei den Münchner Lehrern, scheinen sie keine deutlichen Spuren in seinem Werk hinterlassen zu haben.

Es ergibt sich zunehmend das Bild eines unabhängigen Malers, der auch, bis auf seine Mitgliedschaft bei der Vereinigung Nordwestdeutscher Künstler, mit der er 1927 in Hamburg ausstellte, nie einer konzeptionell geprägten Künstlervereinigung angehört zu haben scheint.

Auch einer lokalen Einordnung entzieht Kortejohann sich zum einen durch seine vielen Reisen, er lebte auch nie in einer Künstlerkolonie und scheint seinen Wohnort in der Regel zum Malen zu verlassen, zumindest ist dem Autor noch kein Bild aus Osnabrück begegnet.

Franz Kortejohann scheint sich aus verschiedensten Quellen inspiriert zu haben, ohne einfach zu kopieren. Er hat seinen eigenen Stil entwickelt. Dabei mögen Reisen, Akademiebesuche, Freundschaften (wie zu Witte) oder Konkurrenz (wie zu Hecker) Katalysatoren gewesen sein, doch der Stil Kortejohanns ist durchaus eigenständig.

Es lassen sich fünf Stilmerkmale für die Landschaftsbilder Kortejohanns festhalten.

In der Regel passt sich die Malweise dem gemalten Objekt an, so wird zum Beispiel das Heidekraut oft mit kurzen Pinselstrichen fast getupft, während ein es durchziehender Weg mit langen Pinselstrichen gemalt wird. Auch die Richtung des Duktus wechselt dann entsprechend von horizontal zu vertikal.

Kortejohann spielt mit bildkompositorischen Mitteln. Oft ist der Horizont überraschend hoch oder tief, es kann auch mehrere Horizonte in einem Bild geben. Dazu entwickelt er im Bild Spannungsverhältnisse durch die geschickte Verwendung von Horizontalen, Senkrechten und Diagonalen.

Vor allem in Waldbildern baut Kortejohann spannende Farbkompositionen aus Grün-, Blau- und Violetttönen auf. Farbe wird aber auch als Möglichkeit genutzt, Bilder zu einer Einheit zusammenzufassen, in dem sie wie optische Klammern eingesetzt wird.

In fast allen Landschaften werden Wege, Abhänge oder Wasserflächen genutzt, um dem Bild einen deutlichen Zug in die Tiefe zu verleihen.

Kortejohanns Landschaften sind vom Menschen geprägt und zeigen dies durch Wege, Gebäude, Holzeinschlag, Zäune etc., doch erscheinen Menschen fast nie. Die Darstellung menschlicher Eingriffe ist eine faszinierende, von Kortejohann oft genutzte Möglichkeit, um kompositorische Eingriffe zu kaschieren. Sie erzeugen den Eindruck von Wahrhaftigkeit, doch achtet man auf die Komposition des Bildes, wird der Wille des Malers deutlich.

Trotz der fehlenden Menschen in den Landschaftsbildern zeugen seine Interieurs und Porträts von einem warmherzigen und bei letzterem sehr genau das typisch menschliche erfassenden Blick.

Tatsächlich ist keines der hier genannten Stilmittel eine Neuerung oder gar künstlerische Revolution, alle finden sich auch bei Zeitgenossen, da sie in seiner Schaffenszeit einfach in der Luft liegen. Doch die Kombination ist Kortejohann eigen und vor allem das Talent für die Bildkomposition und die tiefenräumliche Wirkung seiner Werke durchziehen sein gesamtes Werk.

In einem Zeitungsartikel (Osnabrücker Tageblatt, 28.03.1929) zu einer Ausstellung im Osnabrücker Kunstsalon Adolf Meye,r in der Werke Kortejohanns zusammen mit solchen von Kandinsky gezeigt wurden, wird den Bildern beider Künstler bestätigt, „stimmungsgebender Schmuck eines Wohnraumes zu sein. Die Wahl der Farben, die Tätigkeit beider Künstler, die rahmenbegrenzte Malfläche aus feinstem Gefühl für die erforderliche Bedingtheit auszufüllen und individuell zu gestalten, ist von jeweiliger harmonischer Ausgeglichenheit, die befriedet und in keiner Weise beunruhigt.“

 

Zum Problem der Datierung:

Es gibt, soweit dem Autor bekannt, kaum datierte Werke von Kortejohann. Ohne solche Rahmendaten in ausreichender Anzahl, lassen sich über stilistische Vergleiche kaum Datierungen vornehmen.

Einen Hinweis könnten die Reisen geben, von denen der Maler bestimmte Motive für sein Werk mitbringt. Leider sind diese Reisen aber nicht eindeutig datierbar und natürlich auch wiederholbar. Dazu zeigt die Existenz eines Skizzenbuches und ebenso die Tatsache, dass Kortejohann ein Atelier unterhielt, dass er keineswegs auf die schnelle Arbeit pleinair fixiert war. Jedes Motiv ist also auch zu einem von der Reise unabhängigen Zeitpunkt realisierbar.

Auch die stilistische Eigenständigkeit hilft nicht bei einer Datierung, da selbst Akademiebesuche keine deutlichen Spuren im Werk hinterlassen, man also nicht von einer Kunst z.B. vor und nach dem Münchenaufenthalt sprechen kann.

Es ist aber, unabhängig von einer Datierung, möglich, zwei Werkblöcke stilistisch zu unterscheiden. Es gibt, wenn auch mit vielen Zwischenstufen, zwei unterschiedliche Maße der Abstraktion.

Viele Heidelandschaften, einige Waldbilder und vor allem die Italienbilder sind zwar impressionistisch geprägt, aber doch recht akademisch. Bei diesen Bildern ist der Farbauftrag eher gleichmäßig und satt.

Andere Werke zeigen einen leichten, schnellen Farbauftrag, abstrakte Behandlung des Motivs und spannungsreichere Farben; wirken also moderner als die erste Gruppe.

Es erscheint logisch, dass die zweite auf die erste Werkgruppe folgt, doch zeigt das Beispiel des oben erwähnten Malers Oskar Frenzel, dass dies nicht zwangsläufig so ist. Er trat aus der Berliner Secession zugunsten einer akademischen Karriere aus und änderte seinen Malstil entsprechend.

Vergleichbares passiert vielleicht bei Kortejohann auch. Einen Hinweis darauf liefert der Bildaufbau. Seine frechsten und modernsten Perspektiven zeigen seine Capribilder, die im wesentlichen vor der Ausstellung in Hannover 1908 gemalt worden sein dürften. Dagegen zeigen Werke mit einer moderneren Malweise oftmals einen eher konventionellen Bildaufbau.

So erscheint ein Versuch einer chronologischen Einordnung der Werke zum gegeben Zeitpunkt als nicht möglich.

Karsten Hinrichs, M.A.